„Papa, wo kommen diese ganzen Peruaner*innen her?“
Sonntag, den 05. Juni 2022. Die peruanische Fußballnationalmannschaft spielt ein Freundschaftsspiel gegen Neuseeland und ich bin dabei. Dieses Mal ist es anders und irgendwie besonders für mich. Bisher habe ich Peru-Spiele entweder mit Freund*innen oder mit meinen Geschwistern erlebt, aber nie zuvor war ich mit meinen eigenen Kindern im Stadion.
Als ich vor einigen Wochen gelesen habe, dass Peru in Barcelona ein Freundschaftsspiel absolvieren würde, und das zu „normalen“ Anstoßzeiten (und nicht zu den eher nicht familiären deutschen Uhrzeiten), war mir sofort klar, dass ich mit meinen 2 großen Kindern zum Spiel gehen würde.
Im Laufe der Jahre habe ich von der Sportart Fußball vieles lernen dürfen, als aktiver Spieler und als Zuschauer. Einer der wichtigen Gründe, warum ich die Sportart so sehr liebe ist, dass sie eine der demokratischsten Sportarten der Welt ist (wenn wir das Thema Geld außen vor lassen): 1 Ball und 2 Tore – oder irgendwelche Gegenstände, die als solche dienen – reichen, um in einem Spiel eine Welt des Miteinanders zu spüren, die sonst sehr selten zustande kommt.
Hautfarbe und Bildungsniveau spielen dabei keine Rolle, und auch die Herkunft innerhalb einer Mannschaft ist unwichtig. Die Hauptsache: jede*r Spieler*in versteht seine/ihre Rolle auf dem Platz: Als Gemeinschaft eine gute Leistung erbringen – und Spaß haben. Auf der Tribüne passiert etwas Ähnliches. Es spielt keine Rolle, woher du kommst, wie du heißt, welche Vorfahren oder wie viel Geld und Macht in der Gesellschaft du hast; für eine gewisse Zeit sind wir alle gleich und verfolgen ein ähnliches Ziel wie die Spieler*innen: Als Gemeinschaft Spaß zu haben und die Mannschaft unterstützen.
Wie gut das gelingen kann, hat die peruanische Fangemeinde weltweit spätestens 2018 gezeigt: „Die peruanische Nationalmannschaft hat nach 36 Jahren das erste Mal an einer WM teilgenommen. Die FIFA sagt: „Mit ihrer Leidenschaft und Hingabe gehörten sie zu den Glanzlichtern des Turniers und waren eine Inspiration für Fangemeinden aus aller Welt.““ Peru gewann 2018 den sogenannten „FIFA Fanpreis“.
Und nun war ich mit meinen 2 Kindern und mit meinem Bruder im Stadion, gemeinsam mit anderen 32.149 Zuschauer*innen, die aus allen Ecken Europas nach Barcelona gekommen waren.
Mein Sohn fand die Zahl 32.149 irgendwie faszinierend und fragte immer wieder, woher die vielen Peruaner*inner kämen, warum sie nicht in Peru seien und wie sie es alle schaffen würden, so wie wir auch, nach Barcelona zu kommen. Ich versuchte in einfacher Sprache von Flucht und Migration, vom „Leuchtenden Pfad“, „Fujimori“ und von Diaspora Communities und kultureller Tradition zu erzählen. Meine beiden Kindern haben bemerkt, wie glücklich und entspannt ich war, zu erleben, wie ein Stück Spanien sich plötzlich in Peru und in ein Volksfest verwandelte. Auf einmal waren Gerüche, Tänze, Gespräche, Lächeln im Raum und vieles mehr wie in Peru, ohne in Peru zu sein – zauberhaft.
Meinen Kindern diese Erfahrung mitzugeben, dass Kultur überall präsent sein kann, wo die Diaspora Community präsent ist, wird hoffentlich ihren Identifikationsfaktor mit einem Teil ihrer Wurzeln stärken und nähren.
Ich habe mich irgendwann entschieden, in Deutschland leben zu wollen, weil ich gemerkt habe, dass meine Kultur und mein Zugehörigkeitsgefühl Grenzen übergreifend sein kann und soll. Wenn ich mich hier engagiere, sei es mit dem Verein Latinka e.V. oder mit meinem Podcast Diaspora Talk oder einfach indem ich meine Traditionen daheim lebe, dann kann ich genauso viel für meine Kultur geben, wenn nicht mehr, wie wenn ich das in meinem Geburtsland machen würde.
Wie erlebst du deine kulturellen Erfahrungen?