Vor einer Reise nach Berlin fragten mich meine Kinder: „Papa, und was machen wir, wenn dieses Land zu stark nach rechts rückt?“ Schon in der Vergangenheit habe ich über die Fragen meinen Kindern berichtet wie
„Sind es die Ausländer, die Gewalt bei uns ausüben?„
oder
„müssen wir da Land verlassen, weil PEGIDA jetzt da ist?“
Diese Art von Fragen treffen mitten ins Herz – nicht nur als Vater, sondern auch als Teil einer migrantischen Gesellschaft in Deutschland, die gut integriert ist und zunehmend vor der Herausforderung steht, ihre Werte und Überzeugungen zu hinterfragen. Wie antworte ich meinen Kindern? Was tun wir, wenn Ängste, Vorurteile und autoritäre Denkweisen in unserem Alltag (wieder) an Einfluss gewinnen?
Seit 24 Jahren hier, gut „integriert“, bald sogar mit einem deutschen Pass, und im Endeffekt ohne Frieden und Freiheit, was soll ich noch machen, damit dieses Gefühl nicht entsteht ?
Ein Wochenende der Erinnerung und Reflexion
Ich war 3 Tage in Berlin und wurde daran erinnert, wie wichtig es ist, in diesen unruhigen Zeiten eine neue Narrative zu finden. Der 9. November markiert in Deutschland zwei bedeutende Ereignisse: die #Pogromnacht von 1938, ein düsteres Kapitel, das mahnt, wohin Hass und Ausgrenzung führen können, und den #Mauerfall von 1989, der für Hoffnung und den Mut steht, eine friedlichere und vereinte Zukunft zu schaffen.
Doch in diesem Jahr erscheint dieser Tag auch als Mahnung, da weltweit rechte, autoritäre Stimmen wieder an Einfluss gewinnen. Die Wahl von Donald Trump in den USA steht dafür ebenso wie die Auflösung der Ampelkoalition in Deutschland, die nicht länger eine Koalition ist. Neue Wahlen werfen ihre Schatten voraus, und das Gefühl, dass die Gesellschaft sich zunehmend spaltet, wird stärker.
In meiner Heimatstadt Karlsruhe marschierten am letzten Samstag Nazis durch die Straßen. Gegenstimmen erhoben sich, doch auch die Gegendemonstration fiel zum Teil durch aggressive Sprache auf.
Wenn wir in dieser polarisierenden Zeit Mauern niederreißen wollen, dann geht es nicht nur um sichtbare Mauern aus Beton – es geht um die unsichtbaren Mauern in unseren Köpfen.
Die Kraft einer neuen Narrative
In Zeiten wie diesen ist eine neue gesellschaftliche Erzählung unverzichtbar. Angst vor dem „Anderen“ darf uns nicht kontrollieren. Stattdessen müssen wir als Gesellschaft lernen, mit Empathie und einem offenen, wachstumsorientierten Mindset aufeinander zuzugehen. Diese Haltung – ein „Growth Mindset“ – bedeutet, bereit zu sein, sich und seine Ansichten stets zu hinterfragen und anderen Perspektiven Raum zu geben.
Für mich ist das lebenslange Lernen entscheidend, um Offenheit und Verbundenheit zu fördern. Ein Beispiel hierfür sind die Begegnungen und Gespräche, die ich in meinem Masterstudium an der Tomorrow University oder in der Zusammenarbeit mit der Diaspora erleben darf. Der Austausch mit Menschen, die unterschiedliche Hintergründe und Ansichten haben, bereichert mich und zeigt, wie wertvoll das offene Zuhören und das gegenseitige Lernen sind.
Wer erinnert sich nicht an die Worte, die in Berlin fielen: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Und dennoch wurde kurz darauf eine Mauer gebaut – aus Beton und aus Gedanken, die die Gesellschaft spalteten.
Dialog und Empathie statt Gewalt
Für mich ist klar: Gewalt, auch in Form verletzender Sprache, kann keine Lösung sein. Die Antwort auf den Rechtsruck in der Gesellschaft kann nicht darin bestehen, selbst aggressiv zu reagieren. Gewalt führt nur zu weiterer Polarisierung.
Die Frage meinen Kindern erfordert eine Haltung, die auf Respekt, friedlichem Widerstand und Empathie basiert.
Wir stehen heute als Gesellschaft in einer Situation, in der wir eine gewaltfreie Zukunft gestalten können, ohne die trennenden Mauern der Vergangenheit. Doch dafür braucht es den gemeinsamen Willen und die Fähigkeit, differenzierte, wertschätzende Gespräche zu führen und die vielfältigen Stimmen in unserer Gesellschaft anzuerkennen.
Was ich meinen Kindern sagen möchte
Ich möchte meinen Kindern eine Welt zeigen, in der wir trotz aller Differenzen an die Kraft der Gemeinschaft glauben. Eine Welt, in der wir uns gegenseitig stärken und einander helfen, statt uns gegeneinander auszuspielen. Die Medien und Mächtigen nutzen oft Ängste, um die Gesellschaft zu spalten, doch wir können diesen Narrativen eine neue Geschichte entgegensetzen.
Ich hoffe, dass meine Kinder lernen, auf ihre eigene Überzeugungskraft zu vertrauen, und eine offene Erzählung für ihre Zukunft schaffen. Als Diaspora-Mitglied möchte ich dazu beitragen, eine Welt zu gestalten, in der sich jeder sicher und wertgeschätzt fühlt – unabhängig von Herkunft oder Überzeugungen. Die Mauern, die wir niederreißen müssen, sind oft mental und ideologisch. Und genau dort beginnt die Arbeit für eine neue Zukunft – mit Empathie, einem offenen Geist und dem Mut, für eine Gesellschaft ohne Mauern einzutreten.
Wie geht es Dir in dieser aktuellen Situation?
(Powered by AI)